Das ehemalige Steag-Kraftwerk in Lünen wird abgerissen. Der hohe 250m hohe Schornstein und der Kühlturm werden mir als Landmarke fehlen, weil sie in der Ferne immer zeigten: hier, hier ist Lünen!

Während meiner Kindheit in Alstedde wohnte ich nur 1,2 Kilometer entfernt und war beeindruckt von den roten Nachtlichtern, die in vier Ebenen um den Turm gezogen waren. Maximal drei Lichter pro Ebene waren immer sichtbar, wenn es dunkel wurde.
Während meines ganzen Lebens lief die große »Steinkohlenverbrennungsmaschine« und erzeugte Strom und Tagein Tagaus, leuchteten die roten Lichter des Nachts und dampfte es aus dem Kühlturm.

Weithin sichtbar waren beide aus allen Nachbarstädten und darüber hinaus! Wenn man aus Dortmund kommend die B236 nach Norden fährt, dann fuhr man direkt darauf zu.
Auch in Selm, von der Halde Hohewart, oder gar aus dem Flugzeug war Lünen immer schnell auffindbar, weil der markante und hohe Turm (oder zumindest die Wasserdampfwolken) wie ein Pin auf der Landkarte zeigte, wo Lünen ist.

Wo ich schon bei so einer schönen Wortneuschöpfung wie der »Kohlenverbrennungsmaschine« bin (Google kennt das Wort nicht einmal), da würde vielleicht auch einfach »Wolkenmaschine« genügen. Denn je nach Wetter dampfte es wirklich viel bis wenig, was eben weithin sichtbar war.


Trotz meiner niedlichen Wortschöpfungen will ich gar nicht wissen, wie viele Kohle hier verbrannt wurde. Und was möglicherweise noch zu zugegeben wurde und Kilometerweit entfernt wieder niedergegangen ist.
Dennoch war es auch ein Teil Ruhrgebiet, denn hier war die Kohle, hier war die Stahlindustrie, hier wurde (und wird) Elektrizität gebraucht und generiert. Interessanterweise hat die Steag in all den Jahren auch sehr viel Strom für die Eisenbahn geliefert. In der Wikipedia steht dazu:
Das Kraftwerk verfügte zuletzt über zwei Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 473 Megawatt. (…) Zusätzlich stand seit 1984 ein 110-Megawatt-Turbogeneratorsatz zur Bahnstromerzeugung zur Verfügung. Neben der Stromerzeugung speiste das Kraftwerk seit Ende 2003 in das Fernwärmenetz der Stadt Lünen ein.[2] Der jährliche Steinkohlenverbrauch betrug 960.000 Tonnen und der CO²-Ausstoß 2,1 Millionen Tonnen (980 g CO2 pro kWh).
Das Kühlwasser kam aus der Lippe. Da neben der Steag aber auch noch die Kraftwerke in Hamm, Bergkamen und Trianel sich der Lippe bedienen, war (ist?) sie immer wohltemperiert. Nicht gut für die Umwelt und die Natur, allerdings auch immer Eisfrei, soweit ich mich zurück erinnern kann.

Der Abriss des Kraftwerks läuft bereits seit Wochen. Im März 2021 soll dann die endgültige Sprengung auch des Schornsteins erfolgen. Dann ist Lünen nicht mehr so einfach auffindbar aus der Ferne. Wobei, das Trianel-Kraftwerk auf der Stadtgrenze zu Waltrop ist ja auch noch da – wenn auch nicht so hoch wie die Steag.
Mit Blick auf die Umwelt vermisse ich das Kraftwerk nicht. Als Leuchtturm, der den Weg nach Lünen zeigt, dagegen schon!
Kraftwerk ziert DVD-Cover von Tour de Ruhr
1981 wurde eine Szene für die sechsteilige WDR-Serie »Tour de Ruhr« in Sichtweite des Kraftwerkes gedreht. Direkt an der Lippe, gegenüber vom ehemaligen Schloss Buddenburg, lag 1981 unter anderem Marie-Luise-Marjan auf der Wiese.
Die Einstellung im Film dauert zwar nur eine Minute, zeigt aber untermalt von Eddie Cochrans »Three Steps to Heaven« einen Rundumblick auf Brücke, Lippe und Kraftwerk. Marie-Luise-Marjan und die anderen legen in der Serie hier eine Picknick-Pause ein und machen Witze über Billig-Wurst aus dem Sonderangebot.
Zudem ist diese Filmszene auch aufs DVD-Cover gekommen, allerdings gespiegelt: weil wir in Westeuropa von links nach rechts lesen und Leute die nach rechts gucken sympathischer wirken sollen, als wenn sie nach Links schauen (hab ich mal gelesen), haben die Macher wohl auch die Szene fürs Cover gespiegelt:
