Rund eine Million Euro hat die Bahn in den Sommerferien unerwartet spontan in den Beifanger Bahnhof investiert. Jetzt sind Bahnsteig und Zugtür auf einer Höhe.
Die Bahn kommt nicht zu früh. Gerne mal später, jedoch nie zu früh. Unerwartet anders dagegen beim Umbau des Beifanger Bahnhofes:
- Ursprünglich war eine Modernisierung für 2017 geplant
- Im Mai 2019 gab die Bahn die Verspätung gegenüber der Lokalpresse bekannt und nannte das dritte Quartal 2019 als neuen Baubeginn1
- Baubeginn dann überraschend schon am 15.07.2019 (also noch im zweiten Quartal)

Ärgerlich: der 15.07.2019 war der erste Montag der Sommerferien. Beginn vieler Urlaubsreisen auch mit der Bahn. Nur in Beifang hielt ab diesem Tag kein einziger Zug mehr. Die gesamten Sommerferien über rollten alle Züge nur durch die Bahnhofsbaustelle, keiner hielt an. Ein- und Ausstieg nicht mehr möglich.
Ganz (vermeidbar) ärgerlich: Die Bahn hat ganze fünf Tage vorher drei Infoblättchen in den dreckigen Schaukasten gehangen. Ziemlich kurzfristige Ansage. Ein Artikel in den Ruhr Nachrichten(paywall), Mundpropaganda und Soziale Netzwerke haben zwar viele Menschen kurzfristig erreicht, vermutlich standen aber dennoch ahnungslose Menschen mit Koffer am Bahnsteig.
Als Berufspendler bin ich von der Bahn gewöhnt, dass Verspätungen in Beifang oft nicht angesagt werden – oder erst dann, wenn der Zug mit fünf Minuten Verspätung gerade einfährt. Sechs Wochen Vollsperrung eines Bahnhofes am Ferienbeginn ist aber doch was anderes als fünf Minuten Verspätung.
Keine Ahnung, warum die Bahn so spontan früher mit den Bauarbeiten begann. Der Bürgerbus nach Südkirchen erfuhr auch erst nach einem Gespräch mit den Ruhr Nachrichten von der Sperrung und stellte die Linie dann auch gleich mal für ganzen Ferien ein. Hey, Freude!

Schrägluftbild: 022_011_116002640 – Kreis Unna – Vermessung und Kataster, CC BY-NC-SA 4.0 2019
Umbau in den Sommerferien, Restarbeiten bis Oktober
Dafür war es mal ganz lustig zu sehen, wie dieses schäbige Wartehäuschen mit dem Kran auf den Platz vorm Bahnhof gehoben wurde. Und dann, dass lobe ich gerne, wurde auch zügig umgebaut in den Ferien.
Wenn ein Zug kam, gab es immer ein Alarmgeräusch und Blinklicht für die Bauarbeiter. Mit Langsamfahrt fuhren die Züge durch die Baustelle, hielten nicht an und waren weg. Spannend. Und mit Ende der Sommerferien war der Bahnhof dann auch fertig. Der einzige Bahnsteig (Gleis 1 😉 war auf 74cm Zugtürhöhe angehoben, das Wartehäuschen wieder am Platze.
Doch die Wege brauchten noch. Sie brauchten nochmal mehr als sechs Wochen, bis sie endlich fertig waren. Im Oktober ganz genau, waren sie erst fertig.

Eine neue Bank, dafür weniger Regenschutz und Fahrradständer
Sogar eine neue Bank hat die Bahn spendiert. Eine einzige, einsame Bank, die nicht mal vor dem Regen geschützt ist.
Bislang konnten sich wartende Reisende unter dem Vordach des ehemaligen Bahnhofsgebäudes unterstellen, was jetzt nur noch wenig möglich ist. Durch das (aufgrund des neuen Höhenunterschieds notwendige) Geländer ist jetzt maximal ein Fünftel der Fläche unter dem Dach noch als Regenschutz nutzbar. Und so wirklich trocken ist es unter dem Reststück auch nicht, weil das Dach so hoch ist. De facto gibt es diesen gern genutzten Regenschutz also nicht mehr; es bleibt alleine das halboffene Wartehäuschen.
Weggefallen ist zudem die Reihe Fahrradständer, die es bislang direkt am Bahnsteig gab.
Dafür ist der Zug jetzt barrierefrei erreichbar. Das war das Hauptanliegen für den Umbau. Eine Rampe verbindet den Bahnsteig mit der Straße. Zusätzlich ist noch ein zweiter Zuweg vorhanden, der allerdings mit zwei Stufen. Vor dem Umbau konnte man auch direkt vom Bahnsteig an der Schranke entlang zum Sandforter Weg gehen, das ist nun nicht mehr möglich, weil ein Geländer diesen Weg nun versperrt. Generell sind jetzt alle Wege mit einem Geländer versehen.

Leider kein neues Wartehäuschen
Das Wartehäuschen ist weiterhin ziemlich schäbig. Es hat eine neue Infosäule erhalten, mit der die Bahn direkt kontaktiert werden kann. Aber sonst ist es nach wie vor ziemlich »abgewohnt«. Die Schaukästen sind dürftig mit Infos gefüllt, die Wiederrum schlecht lesbar sind, weil die Glasscheiben dreckig, teilweise milchig sind. Die Beleuchtung ist zum Teil hinüber und es ist schon sehr zügig darin bei schlechtem Wetter.
Gut, im Vergleich zum Bahnhof Selm oder Bork ist es jammern auf hohem Niveau. Doch bei der Investitionssumme, wäre ein besseres Wartehäuschen und vielleicht doch ein paar Bänke mehr auch nicht schlecht gewesen. Und eine Infotafel, die schon von der Straße aus sichtbar wäre und nicht halb im Baum am Bahnsteig hängt.

Alte Infos, interessante Karte
Am Rande noch ein interessanter Karten-Aspekt: in diesem dreckigen Wartehäuschen-Schaukasten hängt hinter der milchigen Scheibe noch eine alte Karte von ca. 2016, die Reisenden den Weg zum Schienenersatzverkehr zeigen soll. Die Bahn hat dafür die freie Weltkarte OpenStreetMap-Karte genutzt, bei der ich auch mitarbeite (siehe Kartenwerkstatt) – sehr löblich!
Im Vergleich zu heute war die OpenStreetMap damals in Selm noch nicht so umfangreich mit Daten gefüllt. Beim Vergleich mit der heutigen Karte zeigt sich sehr schön, wie viel detaillierte die OSM mittlerweile geworden ist:

Hier dann noch ein Gesamtplan aus dem OSM-Daten aus meiner Kartenwerkstatt 😉

Zukünftig auch eine Radstation und Bäckerei am Bahnhof?
Eine Radstation inklusive Bäckerei am Bahnhof wird vermutlich noch folgen. Die Stadt Selm ist da bereits in Verhandlungen mit einem zukünftigen Betreiber und wird jährlich sogar 20.000 € zur Miete dazu geben, weil die Radstation für städtische Mobilitätskonzept wichtig ist. Einige Jahre lang war ja bereits eine Radstation am Bahnhof; seit ca. zwei Jahren ist sie jedoch geschlossen.
Vor ca. zwei Jahren hatte auch die letzte Bäckerei im Umfeld des Bahnhofes geschlossen.
- Ruhr Nachrichten Selm vom 24.05.2019, Artikel “Deutsche Bahn will Stolperfallen am Bahnhof Beifang beseitigen” ↩