So echt und beeindruckend sah die Welt noch nie in einem Flugsimulator aus, wie in der neusten Version aus dem Hause Microsoft. Das gilt auch für Lünen und Selm in der simulierten Welt. Beide wirken ziemlich real – wenn man nicht zu tief darüber fliegt…

Erster Blick: Umwerfend echt!
Wow, oder? Auf den ersten Blick wirkt es wie ein echtes Foto von Lünen. Neben der grandiosen Wetter- und Lichtsimulierung sind tatsächlich echte Luft- und Satellitenbilder von Microsofts Kartendienst Bing Maps die Grundlage für die nachgebaute Welt. Sie kommen direkt aus der großen Bilderdatenbank von Bing in den Simulator. Darauf platziert künstliche Intelligenz noch die Gebäude und Bäume genau dort, wo sie eben auch in echt sind. Die KI versucht, die Luftbilder zu interpretieren und so eine plausible Welt nach zu bauen.
Deshalb sind überall dort Häuser, wo auch in echt welche stehen und auf dem Luftbild zu sehen sind. Sogar die Grundrisse markanter, großer Gebäude sind zunächst stimmig.
Dazu diese wunderschöne Wolkendarstellung und einem gemütlichen Rundflug über beiden Städten steht nichts im Wege, um einmal genauer hinzusehen.
Hinweis zu den Fotos / technisches
Leistungsdaten meines Rechners:
i5 6600k 4 x 3,2 GHz / GTX 1070 8 GB / 16 GB RAM / 256 SSD für den Simulator / 2560 x 1080px
Damit kann auch in »hoher Qualität« einigermaßen flüssig fliegen. Das Maxium ist nicht möglich. Vermutlich würde es damit nochmal deutlich besser aussehen.

Ich war noch nie in New York oder in Alaska, aber es wirkt im Simulator so real auf mich – oder wenigstens so, wie ich es mir vorgestellt habe. Für einen Ortsunkundigen erscheinen Lünen und Selm ebenfalls sehr plausibel. Der Wiedererkennungswert ist gegeben.
Im Tieflug zeigt sich eine andere Welt
Wer sich aber auskennt, hier wohnt oder öfters zu Besuch ist, dem fällt dann schnell einiges auf, was nicht stimmt. Das zeigt sich in Lünen und Selm um so deutlicher, je tiefer man fliegt:

Zum Beispiel ist das Lüner Rathaus ziemlich flach. Von den 14 Etagen werden nur zwei dargestellt. Der Grundriss ist korrekt, aber die Etagen stimmen nicht.
Beim St.Marien-Hospital ebenso: die neun Etagen sind im Simulator auf zwei Etagen geschrumpft. Das Bahnhofsgebäude fehlt komplett – ebenso wie die markanten Kirchen in der Innenstadt. Auf dem Luftbild sind sie am Boden natürlich erkennbar, doch hat die KI kein Gebäude daraus erzeugt.
Zudem fällt auf: kein Gebäude hat die echte Fassade. Es sind irgendwelche Häuser, allerdings mit gleichem Zuschnitt und Dach wie die echten Häuser.

Das Colani-Ufo ist übrigens ziemlich platt und sieht eher wie das Oval-Office aus, statt wie ein ehemaliger Förderturm mit Ufo drauf.


Unterschied zu Google Maps und co.
Die Gebäude werden im Simulator nämlich »prozedural« durch künstliche Intelligenz erzeugt. Die KI versucht anhand der Satellitenbilder, möglichst reale Gebäude nach zubauen. Und zwar allein aus dem, was sie von oben erkennt.
Das gelingt ihr gerade bei komplexen, hohen Gebäuden nicht. Die Anzahl der Etagen passt ganz oft nicht, vielfach scheinen die Gebäude auch gar nicht als Gebäude erkannt zu werden und fehlen (Kirchen ganz besonders).
Und die Fassaden sind in der Draufsicht natürlich gar nicht für die KI zu erkennen. Demnach handelt es sich um Gebäude, die zwar von oben sehr echt aussehen (Dachfarben und -Neigungen stimmen meistens) – wenn man tiefer fliegt zeigt sich aber, dass es ebenen »irgendwelche Gebäude« sind, die denselben Grundriss haben. Eine gewisse Detailunschärfe quasi, die sich mit zunehmender Höhe auflöst. Je tiefer man fliegt, desto deutlich wird es aber.


Ganz deutlich wird das auch an den Kühltürmen der beiden hiesigen Kraftwerke: von oben sieht man ihre konkave Form nicht, deshalb gehen sie flach runter und sehen aus wie große Bottiche, statt wie Kühltürme:


Bei Google Maps und auch den öffentlichen Geoservern der Verwaltungen und des Kreises ist das anders: Die 3D-Modelle sind dort durch Schrägluftbilder erzeugt (jedes Haus von vier Seiten per Flugzeug fotografiert). Dadurch haben alle Gebäude die korrekte Höhe und zeigen die Fassaden, Türen, Fenster, Garagen genau so, wie sie in echt sind. Eine gewisse Unschärfe natürlich auch hier (Datenschutz), aber immer noch gut zu erkennen.

Wo es noch hakt:
Die KI kann wundervoll Wälder, Flußläufe und einfache Häuser darstellen. Sogar Windräder stehen dort, wo wie wirklich stehen – und drehen sich im Wind mal stärker oder schwächer. Alle Straßen sind da, Autos fahren darauf, sogar Waldwege finden sich wieder, wenn man genau hinschaut. Und parkt man seinen Flieger am Wald, hört man sogar die Vögel zwitschern. Hügel sind ebenso gut dargestellt und Berge sowieso. In meinem Garten steht sogar der Baum genau dort, wo er auch in echt steht. Dahingehend also ein großer Sprung im Vergleich zur bisherigen Simulatorwelt und es sieht oft wirklich großartig aus!
Meiner Einschätzung nach tut sich die KI beim Gebäudezaubern aber besonders schwer mit:
- Kirchen und vor allem Kirchtürmen
- Bahnhöfe (HBF Dortmund und Lünen: nicht vorhanden)
- hohen Gebäuden, Türmen
- einzigartigen, filigranen Gebäuden (Das Westfalenstadion z.B. existiert gar nicht)
- Schornsteinen
- Brücken (meist ins Wasser gefallen)
- Stromleitungen (keine einzige bislang gefunden)
Dafür sind alle 40.000 Flughäfen, -Plätze und Landestreifen dieser Welt abgebildet, mal mehr oder weniger real. Sogar der Ultraleicht-Landeplatz in Waltrop ist vorhanden. Der Segeflugplatz Lünen dagegen ist zwar da, aber nicht als Landeplatz als solcher in der Flugplanung auswählbar (im Gegensatz zu Waltrop). Landen ist dennoch möglich.

Die Flusiwelt bislang…
Trotz der Fehler im Detail, ist das hier im neuen Simulator ein ganz großer Schritt! Bislang war es in Flugsimulationen fast immer so, dass die Welt aus mehr oder weniger »plausiblen« Gebäuden simuliert wurde. Es waren meist automatisch erzeugte Gebäude aus einem Katalog. Dadurch standen zwar häufig auch früher schon Häuser an der richtigen Stelle, hatten aber überhaupt keine Ähnlichkeit mit der echten Welt.
Und ohne den echten Luftbildern unter den Häusern erkannte man seine Stadt höchstens noch an den Hauptstraßen von oben – denn viele Wohnstraßen waren gar nicht abgebildet (im FSX und den Vorgängern etwa, gab es in Lünen nur die Bundesstraßen und sonst nichts).
Im Simulator X-Plane 11 werden wenigstens die Daten der freien Weltkarte OpenStreetMap genutzt. Dadurch ist das Straßennetz genau dass der Echtwelt und die allermeisten Gebäude sind am echten Ort (aber ohne echter Fassade, da aus dem Katalog). Für einen Ortsfremden sieht es trotzdem plausibel aus wie auf dem Stadtplan – wer den Ort kennt, merkt hier natürlich ebenso sofort, dass alle Gebäude »irgendwelche« sind, aber nicht die richtigen.
Mit Daten von OpenStreetMap?
Angeblich soll der Simulator bzw. die KI auch die OpenStreetMap-Daten nutzen. Zumindest ergab sich so der kuriose Fall eines 212-Etagen hohen Hauses in Australien, der auf einen Tippfehler in der OSM-Datenbank beruhen soll.
Da die Etagen- und Höhenangaben zum Beispiel für das Lüner Rathaus und dem Krankenhaus in OSM hinterlegt sind, scheint es mir nicht so zu sein, dass diese Daten für meine Gegend von Microsoft genutzt werden. In X-Plane werden nämlich aus denselben OSM-Daten Hochhäuser erzeugt, was dafür spricht, dass der von Microsoft sie nicht nutzt.
Natürlich gab es immer schon Erweiterungen aller Simulatoren, die die Welt realer machten. Fotorealistische Gebäude mit echter Fassade und Satellitenbilder für die Landschaft. Manche kosteten viel Geld, manches gab es von ambitionierten Hobbyfliegern gratis zum herunterladen. Vermutlich gibt es für nichts mehr Erweiterungen als für Flugsimulatoren?
Der Microsoft Flugsimulator ist »out of the box«, also ganz ohne Erweiterung beim allerersten Start schon sehr, sehr real. Das ist eine echte Neuheit und zeigt sich beim Vergleich mit echten Bildern:
Vergleich mit echtem Rundflug
2015 hab ich Selm mit einem echten Flugzeug überflogen, daher hab ich ein paar eigene Bilder für den Vergleich:




Trotz dieses Exkurses in die Technik und den Vergleichen: Ich bin begeistert von der simulierten Welt! Denn so real war sie bislang tatsächlich nicht. Es ist wohl das erste Mal, dass man als virtueller Pilot anständig nach Sicht fliegen kann, ohne erst zusätzlich X Erweiterungen herunterzuladen und extra Geld in die Hand nehmen zu müssen. Nach viel Schneefall färbt sich sogar die Landschaft weiß (selbst im August):




Und vor allem: das gilt diesmal für den ganzen Planeten! Egal ob in der Sahara, dem Grand Canyon, über New York, Schanghai oder meinetwegen auch Nordkorea: die gesamte Erde wird simuliert.

Deshalb: Trotz Schwäche im Detail ist das Gesamtpaket einfach bezaubernd! So schon war virtuelles Fliegen -vom Schreibtisch Zuhause- bislang noch nie!
Zumindest mit den kleinen Flugzeugen, die auf Sicht geflogen werden. Bei den großen Jets (A320, B787, B747) patzt der Simulator dann doch noch gehörig. Viele Funktionen fehlen oder sind eher halbherzig umgesetzt. Das ist aber ein anderes Thema.
Zur Darstellung meiner Heimat »zwischen Lünen und Selm« lässt sich also abschließend sagen: sehr gelungen! Macht Spaß, die bekannte Gegend zu überfliegen.
In diesem Sinne: Guten Flug über Ihre Heimat!